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Stadtarchiv-Strafverfahren vorläufig eingestellt 

 



 

 

Das Landgericht Köln hat die gegen die vier verbliebenen Angeklagten geführten Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln (im Folgenden: Stadtarchiv) am 02.08.2024 vorläufig gegen Zahlung von Geldauflagen eingestellt. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagten haben die hierfür erforderliche Zustimmung erteilt. Sollten die Angeklagten die Auflagen erfüllen, werden die Strafverfahren endgültig eingestellt werden. Eine erneute Hauptverhandlung fände dann nicht mehr statt.

 

 

Hintergrund und Verfahrensstand der Strafverfahren

 

Am 03.03.2009 kam es im Zusammenhang mit der Errichtung der sog. Nord-Süd-Stadtbahn zum Einsturz des Stadtarchivs sowie zweier Wohngebäude, bei dem zwei Menschen zu Tode kamen. 

 

Mit Anklage der Staatsanwaltschaft Köln vom 12.05.2017 ist den Angeklagten L. und G. zur Last gelegt worden, es als Bauleiter der bauausführenden Arbeitsgemeinschaft unterlassen zu haben, markanten Hinweisen, die auf Ausführungsmängel bei der Errichtung einer Baugrubenumschließung (Schlitzwand) hingedeutet hätten, nachzugehen und diese abzustellen. Dadurch sei es zu Undichtigkeiten und schließlich zu einem schlagartigen Zutritt großer Wasser- und Bodenmassen in die Baugrube bei gleichzeitigem Materialentzug aus dem Bereich unterhalb der Nachbarbebauung gekommen, worauf diese eingestürzt sei. Der weitere Angeklagte A. wurde vonseiten der Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) als Bauherrin intern mit der örtlichen Bauüberwachung betraut. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, durch Unterlassen fahrlässig den Tod von zwei Menschen herbeigeführt zu haben, da er Fehler bei der Herstellung einer Schlitzwand hätte erkennen können und vor dem Hintergrund der besonderen bautechnischen Risiken es dennoch unterlassen habe, seine Aufgabe als Bauüberwacher ausreichend auszuüben. 

Die im Jahr 2018 durchgeführte Hauptverhandlung endete am 12.10.2018 nach 48 Verhandlungstagen mit einer Verurteilung des Angeklagten A. wegen zweifacher fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die beiden Bauleiter der beauftragten Arbeitsgemeinschaft wurden vom Vorwurf der zweifachen fahrlässigen Tötung durch Unterlassen in Tateinheit mit Baugefährdung aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Zwar hätten diese ihre Sorgfaltspflichten verletzt, die festgestellten Pflichtverletzungen seien für den Einsturz der Gebäude und den Tod der Geschädigten aber nicht ursächlich gewesen. 

 

Mit weiterer Anklage der Staatsanwaltschaft Köln vom 05.03.2018 ist dem vierten Angeklagten H. zweifache fahrlässige Tötung durch Unterlassen und Baugefährdung vorgeworfen worden. Er habe als Oberbauleiter und Urlaubsvertreter des Bauleiters bei der Errichtung der Schlitzwand seine Sorgfaltspflichten verletzt. Er ist am 07.02.2019 wegen zweifacher fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

 

Am 13.10.2021 hat der Bundesgerichtshof auf Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil hinsichtlich der gegen die Angeklagten L. und G. (Bauleiter) ergangenen Freisprüche aufgehoben. Zur Begründung führte der Senat aus, das Landgericht habe bei der Bestimmung der die Angeklagten treffenden Sorgfaltspflichten maßgebende Umstände - insbesondere die gehäufte Zahl an Zwischenfällen auf der Baustelle sowie die fehlende Abstimmung der Abteilungen untereinander - außer Betracht gelassen. Am selben Tag hat der Bundesgerichtshof auch die Verurteilungen der Angeklagten A. und H. aufgrund erfolgreich erhobener Verfahrensrügen aufgehoben.

 

Sämtliche Verfahren sind sodann zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen worden.

 Die Entscheidungen der 17. großen Strafkammer vom 02.08.2024

 

Die nunmehr zuständige 17. große Strafkammer hat die Verfahren gegen die vier Angeklagten mit Zustimmung der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen eine Geldauflage von 5.000 € bzw. 2.000 € vorläufig eingestellt.

 

Nach § 153a Abs. 2 StPO kann das Gericht ein Strafverfahren bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen eine Auflage einstellen, wenn durch deren Erfüllung das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt wird und die Schwere der Schuld der Einstellung nicht entgegensteht. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Gerichts erfüllt.

 

Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass den Angeklagten „lediglich“ eine mittelbare Verantwortlichkeit für die Havarie der Baugrube zum Vorwurf gemacht werden könne. Die unmittelbare Schadensursache soll vielmehr durch zwei weitere ursprüngliche Mitangeklagte (Baggerfahrer und Polier) gesetzt worden sein, die bei Errichtung der Schlitzwand das mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schadensursächliche Hindernis nicht beseitigt hätten und zudem die mit der Bauleitung und Bauüberwachung betrauten Angeklagten bewusst getäuscht hätten. Beide ehemaligen Mitangeklagten könnten indes nicht mehr verfolgt werden, da der Baggerfahrer verstorben sei und der Polier aufgrund einer Erkrankung während der 2018 durchgeführten Hauptverhandlung verhandlungsunfähig geworden sei, sodass die ihm vorgeworfene Tat infolgedessen verjährt sei. Im Verhältnis zur Rolle der ursprünglich Mitangeklagten sei die etwaige Verantwortlichkeit der verbliebenen Angeklagten als geringer zu bewerten. Bei der Betrachtung etwaiger Überwachungsfehler sei mildernd zu berücksichtigen, dass nach den Ausführungen sämtlicher mit dem Einsturz des Stadtarchivs befassten Sachverständigen das Belassen eines Hindernisses bei Errichtung einer Schlitzwand als „völlig unvorstellbar“ bezeichnet worden sei. 

 

Im Weiteren führt das Gericht aus, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung aus zweierlei Gründen gesunken sei: Zum einen liege der Einsturz des Stadtarchivs inzwischen mehr als 15 Jahre zurück, wobei die mutmaßliche Ursache bereits vor etwa 19 Jahren gesetzt worden sein


 soll. Zum anderen habe die Frage nach der technischen Ursache des Un- Seite 4 von 5 glücks in den bisherigen landgerichtlichen Strafverfahren im ersten Rechtsgang sowie im zivilrechtlichen selbständigen Beweisverfahren hinreichend aufgeklärt werden können. Der Rat der Stadt Köln habe die technische Ursache daher als geklärt angesehen und im Jahr 2020 den Vergleich zwischen der Stadt Köln und der beauftragten Arbeitsgemeinschaft zur Beilegung des Zivilrechtsstreits als sinnvollen Weg gebilligt, „dieses Kapitel der Kölner Stadtgeschichte zu bewältigen und konstruktiv in die Zukunft zu blicken“ (vgl. Niederschrift über die Sondersitzung des Rates der Stadt Köln in der Wahlperiode 2014/2020 am Montag, dem 29.06.2020, S. 4 f., abrufbar unter https://ratsinformation.stadtkoeln.de/getfile.asp?id=785433&type=do). 

 

Eine weitere Aufklärung der Schadensursache sei nach Einschätzung der Kammer durch eine erneute Beweisaufnahme lediglich im überschaubaren Ausmaß zu erwarten. Wesentliche neue Beweismittel stünden nicht zur Verfügung; vielmehr sei aufgrund des langen Zeitablaufs nunmehr mit einer eingeschränkten Erinnerung von Zeugen und Sachverständigen zu rechnen. 

 

Auch die Schwere der Schuld stehe einer Einstellung der Verfahren nicht entgegen. So wäre im Falle eines Schuldnachweises voraussichtlich lediglich eine mittelbare Verantwortlichkeit festzustellen. Sämtliche Angeklagten seien damals wie heute nicht vorbestraft. Sie seien durch den Einsturz des Stadtarchivs und das Versterben von zwei Personen schwer erschüttert und hätten sich über lange Zeit den Belastungen eines von hohem medialen Interesse begleiteten Strafverfahrens stellen müssen. Im Falle der Fortführung des Verfahrens würde ein rechtskräftiger Abschluss möglicherweise weitere Jahre in Anspruch nehmen. Die vorgeworfenen Taten lägen 19 bzw. 16 Jahre zurück - eine Wiederholung sei nicht zu befürchten.

 

Als Empfänger der - nach dem individuellen Schuldvorwurf gestaffelten - Geldauflagen hat die Kammer einen Förderverein des Stadtarchivs bestimmt. Bei der Bemessung der Geldauflage hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass es beabsichtigt, mit endgültiger Verfahrenseinstellung den Angeklagten die Auslagen ihrer Verteidigung und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger aufzuerlegen. Allein letztere hätten sich im ersten Rechtsgang (ohne die Revisionsverfahren) insgesamt auf über 58.000 € belaufen. Vor diesem Hintergrund ist zu

erwarten, dass die Seite 5 von 5 individuellen Zahlungsverpflichtungen der Angeklagten jeweils einen mittleren fünfstelligen Betrag erreichen werden.

 

Die Beschlüsse vom 02.08.2024 zu den Az. 117 KLs 23/22 und 117 KLs 29/22 werden in Kürze in anonymisierter Form unter www.nrwe.de im Volltext abrufbar sein.

 

 


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