Bei den Olympischen Spielen in Paris hat Michael Jung Geschichte geschrieben. Er wurde in Versailles zum dritten Mal Olympiasieger in der Vielseitigkeit, gewann seine vierte olympische Goldmedaille insgesamt. Mit seinem Sieg setzte er außerdem die Erfolgsserie deutscher Vielseitigkeitsreiter bei Olympischen Spielen fort, die 2008 mit Hinrich Romeike und Marius in Peking/Hongkong begann, über London und Rio (Jung und Sam) und Julia Krajewski und Amande de B’Neville in Tokio führte und nun in Paris Jung mit seinem 16-jährigen Hannoveraner Chipmunk FRH (v. Contendro I) den vorläufigen Höhepunkt erlebt hat.
Beinahe von Beginn an dominierten Michael Jung (Horb) und Chipmunk FRH das aus 64 Paaren aus 27 Nationen bestehende Starterfeld. Lediglich in der Dressur musste er Laura Collett mit dem Holsteiner Landos-Sohn London den Vortritt lassen. Der Vorsprung der Britin war allerdings so knapp, dass am Geländetag zwei Sekunden ausreichten, um die Plätze zu tauschen. Jung kam innerhalb der erlaubten Zeit ins Ziel, die Britin kassierte 0,8 Strafpunkte für Zeitüberschreitung. Jung übernahm die Führung und blieb am Entscheidungstag zunächst im ersten, für die Teamwertung entscheidenden Springen fehlerfrei und wiederholte diese Leistung ein weiteres Mal im zweiten Springen, in dem um die Einzelmedaillen geritten wurde: Endstand 21,8 Minuspunkte: Gold!
„Es ist mehr als Freude, ich habe wackelige Knie. Ich bin so dankbar meinem Pferd gegenüber. Ich habe wieder nicht alles ideal erwischt. Er hat mich nochmal richtig gerettet auf der letzten Linie“, sagte Jung, noch völlig überwältigt, im TV-Interview. „Ich habe dreimal auf die Tafel gucken müssen, ob das jetzt tatsächlich stimmt. Ich bin grad ein bisschen geflasht, ich bin überglücklich. Das war eine gigantische Woche. Ich muss das jetzt erstmal alles ein bisschen verinnerlichen. Ich habe versucht, alles andere auszublenden und mich nur auf mich und mein Pferd zu konzentrieren. Das hat spitze geklappt und auch wie Chippie sich konzentriert hat, das ist einfach fantastisch!"
Grund zur Freude hatte auch Julia Krajewski. Die Titelverteidigerin aus Warendorf war kurzfristig als Reservistin mit dem noch recht jungen Holsteiner Nickel (v. Numero Uno) ins deutsche Team nachgerückt. Trotz des etwas "undankbaren" Startplatz eins lieferte sie eine gute Dressur und eine sichere Geländerunde ab und blieb auch im ersten Springen abwurffrei. „Wer so ein bisschen die Vorergebnisse studiert hat, der weiß vielleicht, dass er am letzten Tag noch nie null gesprungen ist, er hatte immer so einen Netzroller. Und das ist natürlich einfach der perfekte Tag, um das erste Mal null zu springen – bei den Olympischen Spielen, bei so einer Kulisse“, sagte sie. Lediglich 0,4 Zeitstrafpunkte kamen für sie hinzu, und bei dabei es auch bleiben, denn im zweiten Springen gelang noch eine Nullrunde: 32,1 Minuspunkte ihr Endergebnis, Platz elf.
In der Teamwertung spielte das deutsche Trio allerdings keine Rolle mehr, nachdem Christoph Wahler (Bad Bevensen) im Gelände unfreiwillig den Sattel von Carjatan S verlassen musste. Dass Pferd und Reiter das Malheur unbeschadet überstanden hatten, bewiesen sie mit einer souveränen Nullrunde im ersten Springen (zum zweiten waren sie nicht mehr zugelassen). Das sei natürlich frustrierend, sagte Wahler. Aber das Wichtige sei, zu merken, wie gut sein Pferd drauf sei. „Er hat es mega weggesteckt, er weiß überhaupt nicht, was los war, außer dass es ein relativ kurzes Gelände war gestern. Er ist heute überragend gesprungen, das tut er ja wirklich ganz, ganz häufig. Das war ja keine Eintagsfliege, dass er null im Springen ist, das macht er meistens. Er hat mir dasselbe Gefühl gegeben wie immer und das macht dann schon richtig Spaß." Für das deutsche Team bedeutete das ein Gesamtergebnis von 283,3 Minuspunkten – Platz 14.
Mannschaftsolympiasieger wurde wie schon 2021 in Tokio die Mannschaft aus Großbritannien (91,3 Minuspunkte). In Paris war es allerdings nicht Tom McEwen, der zusätzlich Einzel-Silber gewann, sondern seine Teamkollegin Laura Collett mit London. McEwen wurde mit JL Dublin Vierter. Zwischen den beiden belegte der Australier Christopher Burton mit Shadow Man den Bronzeplatz.
Sehr zum Jubel der französischen Zuschauer sicherte sich die Equipe Tricolore mit 103,6 Minuspunkten die Silbermedaille – in Tokio war es noch Bronze gewesen. Erstmals auf dem Podium stand in Paris ein japanisches Team – und das obwohl Ryuzo Kitajima die Stute Cekatinka vor dem Springen zurückgezogen hatte und dafür Toshiyuki Tanaka mit Jefferson zum Einsatz kam. Die dafür fälligen 20 Strafpunkte führte für Japan zu einem Endergebnis von 115,8 Minuspunkten.
fn-press
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