Lobbyisten können noch immer von der Öffentlichkeit unbemerkt auf die EU-Gesetzgeber Einfluss nehmen. Das geht aus einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs hervor. Demzufolge hat das EU-Transparenz-Register zwar positive Aspekte. So könnten sich Bürgerinnen und Bürger anhand der Angaben über Lobbyisten, die mit der Europäischen Kommission, dem EU-Parlament und dem Rat im Austausch stehen, über den potenziellen Lobby-Einfluss informieren. Das Register habe aber auch Schwächen und sei lückenhaft, was die Transparenz der Lobbyaktivitäten in den drei größten EU-Institutionen einschränke. Außerdem könnten Lobbyisten die Registrierung für bestimmte Formen der Einflussnahme völlig umgehen.
Lobbying ist ein wichtiges demokratisches Instrument, das es Organisationen und Einzelpersonen ermöglicht, einen Beitrag zur Politikgestaltung und Entscheidungsfindung zu leisten. Allerdings kann Lobbying ohne Transparenzmechanismen zu unzulässiger Einflussnahme, zu unlauterem Wettbewerb oder sogar zu Korruption führen. Jede EU-Institution hat daher ihre eigenen Ethik-Vorschriften, um solchen Grenzüberschreitungen vorzubeugen. Ferner haben die EU-Kommission, das Europäische Parlament und der Rat eine Vereinbarung über das sogenannte Transparenz-Register geschlossen, das einen zentralen Zugang für Lobbyisten bietet, die auf die Politikgestaltung und Entscheidungsprozesse der EU Einfluss nehmen möchten. 2021 einigten sich die genannten Institutionen darauf, die Eintragung der Lobbyisten im Register zur Vorbedingung für bestimmte Tätigkeiten zu machen ("Konditionalitätsgrundsatz").
"Das EU-Transparenz-Register darf nicht zu einem Papiertiger werden", so Jorg Kristijan Petrovič, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs. "Es enthält zwar nützliche Informationen über Lobbying, hat aber nicht die gewünschte Schlagkraft. Oft findet der Austausch zwischen Lobbyisten und EU-Gesetzgebern fernab der öffentlichen Wahrnehmung statt, was der Transparenz schadet und sich negativ auf das Vertrauen der Öffentlichkeit auswirkt."
Die Interinstitutionelle Vereinbarung von 2021 stehe in weiten Zügen im Einklang mit den internationalen Grundsätzen für Transparenz und Integrität bei der Lobbyarbeit, so die EU-Prüfer. Es gebe jedoch keine Mindestanforderungen für die Umsetzung. Stattdessen werde den Institutionen Spielraum gelassen – zum Beispiel bei der Festlegung, für welche Lobbytätigkeiten eine Registrierung erforderlich ist oder wie im einzelnen Lobbyisten mit den Mitgliedern und den Mitarbeitern der Institutionen interagieren können. Nur für bestimmte Zusammenkünfte und Aktivitäten (z. B. die Teilnahme an Anhörungen und Expertengruppen) sei eine Registrierung zwingend erforderlich. So sei eine NGO, die in den sogenannten Katargate-Skandal verwickelt gewesen sei, im Juni 2022 an der Ausrichtung einer Konferenz im Parlament beteiligt gewesen, obwohl sie nicht im Register eingetragen war. Zugleich stünden den Institutionen nur wenige Druckmittel zur Verfügung, um dafür zu sorgen, dass Lobbyisten die für die Registrierung und die Angabe von Informationen geltenden Anforderungen einhalten. Zwischen 2019 und 2022 seien durchschnittlich jedes Jahr fast 1 000 Lobbyisten aus formalen Gründen aus dem Register gestrichen worden, aber nur sechs infolge von Ermittlungen.
Die Prüfer kritisieren, dass Lobbyisten sich nur für Treffen mit den ranghöchsten Mitarbeitern der EU-Institutionen registrieren müssen und auch nur im Voraus geplante Termine berücksichtigt werden. Spontane Treffen und Telefongespräche sowie E-Mail-Verkehr müssten nicht formell festgehalten werden, und für Treffen mit Mitarbeitern unterhalb der Ebene eines Generaldirektors (also faktisch mit fast allen Mitarbeitern) benötigten Lobbyisten keine Registrierung. Zwar bemühten sich die Institutionen, die Transparenz zu verbessern und die Registrierung zu fördern. So würden mehr Informationen über Treffen und Aktivitäten mit registrierten Lobbyisten veröffentlicht. Allerdings geschehe dies nicht systematisch. Auch sollte nach Ansicht der Prüfer die Kontrolle der von den Lobbyisten eingetragenen Daten weiter verstärkt werden. Sie verweisen dabei insbesondere auf das Risiko, dass von Dritten finanzierte NGO ihre Finanzquellen verschleiern, indem sie offiziell angeben, nur ihre eigenen Interessen oder die gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Dies werde von einem Drittel der registrierten NGO angegeben. Schließlich enthalte die Website des Registers nicht genügend Informationen über die wichtigsten Aspekte der Lobbyaktivitäten, um eine öffentliche Kontrolle zu ermöglichen; sie sollte außerdem nutzerfreundlicher gestaltet werden.
Hintergrundinformationen
Seit Einrichtung des Transparenz-Registers hat die Zahl der registrierten Lobbyisten deutlich zugenommen: Von etwa 5 500 im Jahr 2012 auf rund 12 500 im Jahr 2024. Das Register ist freiwilliger Natur und beruht auf einer Interinstitutionellen Vereinbarung, die keinen Gesetzescharakter hat. Daher können auf dieser Grundlage keine Strafen verhängt werden – im Gegensatz zu einigen Lobbyvorschriften in EU-Ländern, die für einen größeren Mitarbeiterkreis gelten. Im Dezember 2022 wurden Vorwürfe laut, Katar habe ehemalige und aktuelle Mitglieder des Europäischen Parlaments unrechtmäßig beeinflusst – oder sogar bestochen – um außenpolitische Ziele zu erreichen ("Katargate"). Seitdem hat das Parlament mehrere Beschlüsse zur Anwendung des Registers verabschiedet. Die Prüfung, deren Schwerpunkt auf den Zeitraum 2019–2022 liegt, ist vor Annahme der Beschlüsse angelaufen, berücksichtigt diese aber. Der Europäische Bürgerbeauftragte stellte kürzlich Missstände bei der Verwaltungstätigkeit des von den drei Institutionen gemeinsam wahrgenommenen Sekretariats des Registers fest, das Beschwerden nicht entsprechend nachgegangen war.
Der Sonderbericht 05/2024 "EU-Transparenz-Register: Nützliche, aber begrenzte Informationen über Lobbytätigkeiten" ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs abrufbar.
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